Lebenssituation

DIE LEBENSSITUATION RUND UM DIE TEXTILFABRIK

Die Industrialisierung Marienthals setzte mit Hermann Todesco ein. Das Gelände rund um Gramatneusiedl ermöglichte den für ihn wichtigen Auf- und Ausbau der Fabrik. Mit dem vorhandenen Wasser der Fischa-Dagnitz konnten seine Maschinen mechanisch betrieben werden. Maschinen übernahmen das Spinnen von Garn und das Weben von Stoffen. Zum 1. Mal in der Geschichte war der Mensch nicht auf seine eigene Arbeitskraft angewiesen. Höhere Stückzahlen konnten produziert werden. Der Mensch wurde aber dadurch abhängiger von seinem Arbeitgeber. Arbeiter, die aufbegehrten oder arbeitsunfähig waren, konnten gekündigt und durch neue Arbeitskräfte ersetzt werden.

Arbeiter verdienten oftmals zu wenig, um ihre Familie zu ernähren. So mussten auch die Frauen und Kinder in der Fabrik mitarbeiten. 1890 kam es in der Fabrik zum 1. Lohnstreik, der niedergeschlagen wurde.

Der Betrieb wuchs und mit ihm vergrößerte sich die Anzahl der Arbeiter. Es wurden zusätzliche Wohnmöglichkeiten geschaffen – die Arbeitersiedlung entstand.

Mit dem Zusammenbruch der Monarchie verlor die Fabrik ihre Absatzgebiete in Ungarn und auf dem Balkan.

1925 übernahm die „Vereinigte Österreichische Textil-Industrie Mautner Aktiengesellschaft“ die Aktienmehrheit der „Marienthaler und Trumauer Actien-Gesellschaft“ und versuchte mit einer Umstellung der Produktion die prekäre Situation zu meistern.

Ab 1926 wurde das Bestehen der Fabrik bedrohlich. Isidor Mautner hatte, um den Zusammenbruch seiner Bank zu verhindern, seine Immobilien verpfändet. Einige dubiose Machenschaften von Gesellschaftern und die große Wirtschaftskrise der Dreißigerjahre, die mit dem Börsenkrach in New York 1929 begann, und der anschließende Währungsverfall verschlimmerten die Situation.

Am Ende seines Lebens stand Isidor Mautner vor einem Scherbenhaufen seines Besitzes. Eine Bank wurde Eigentümer der Fabrik und stellte bald darauf deren Produktion ein. Anlagen wurden abgebaut, verkauft und alle Arbeitnehmer entlassen.

Somit entstand ein Ort der Arbeitslosen. Von den in Marienthal insgesamt lebenden 478 Familien hatte in 367 Familien kein einziges Familienmitglied einen regulären Arbeitsplatz. Für ein halbes Jahr bekamen die Betroffenen alle 2 Wochen eine Unterstützungszahlung, die aber so gering war, dass die Familien schwer über die Runden kamen. Danach gab es noch für kurze Zeit eine Notstandshilfe. Anschließend waren die Familien „ausgesteuert“.

Durch die allgemeine Wirtschaftskrise fanden nur einzelne Personen eine neue Arbeitsstelle.

Hunger und Elend brach über die Marienthaler herein.